Das Ausbrüten des Eis: Die (Ideen-)Geschichte des Kolibris


Ich habe eine Freundin... eine Freundin, wie Du sie Dir in Deinen kühnsten Träumen kaum vorstellen kannst! Eine, die man nie wieder loslässt und dennoch nie festhalten müsste, weil sie da ist, ganz tief im Herz.
Meine Freundin lebt auf einer Insel, deshalb sehen wir uns leider nur drei Mal im Jahr. Die Zwischenzeit überbrücken wir, indem wir mehrfach die Woche ausgiebig telefonieren. So taten wir es auch ziemlich genau vor einem Jahr, als sich folgendes Gespräch ereignete:

 
„Weißt du, dass es in Bonn Oberkassel Kolibris gibt?“, fragte ich.
„Erzähl...!“

„Naja, es sind Taubenschwänzchen, das ist eine Art             Schmetterling, sieht ein wenig aus wie eine Motte und hat einen langen Rüssel, genau wie ein Kolibri. So einer fliegt jeden Morgen und jeden Abend bei mir im Garten rum und saugt aus                                                                                        
seinem dünnen Rüssel den Nektar aus den Blüten. Einfach süß!“
„Echt? Das ist ja genial, und weißt du woran es mich erinnert? Es erinnert mich an eine Geschichte:

 

Es brannte im Wald, lichterloh, und alle Tiere rannten durcheinander.... Plötzlich blieb der Hirsch stehen, denn er sah, wie ein kleiner Kolibri über den Flammen schwebte und aus seinem langen Rüssel einen Tropfen Wasser spie. Da fragte der Hirsch besorgt: "Kolibri, was machst du denn da? Siehst du nicht, wie sinnlos dein Handeln ist? Der Kolibri aber antwortete: "Ich tue mein Teil!“

 

Noch lange nach unserem Gespräch hallte die Geschichte des Kolibris in meinen Ohren… genau genommen, tut sie das noch immer!
Alles an dem kleinen Kolibri hat mich tief berührt und stark inspiriert. Im September 2018, noch während wir unter meiner Regie den Culture Slam V auf die Bühne des Pantheon Theaters brachten, formte sich in meinem Kopf nach und nach eine neue Idee:

 

"Einmal Kolibri sein!", dachte ich, „nur für ein Moment...wer will das nicht? Einmal ganz einfach das Richtige tun!“ Als ich klein war, pflegte man zu sagen: "Jeden Tag eine gute Tat". Doch schon damals musste ich darüber lachen, oder weinen (in Frankreich sagen wir „gelblachen“), weil ich trotz meiner jungen Jahre doch die Scheinheiligkeit dahinter habe erkennen müssen. Geprägt hat es die kleine Geneviève dennoch. „Jeden Tag eine gute Tat“... ganz natürlich und leicht machbar, ohne besondere Aufforderung. Nur so für sich, als Selbstzweck, für mein Karma...wie auch immer man es sagen will. Diese Idee gor in mir nun eine Weile, und ein paar Wochen später, wusste ich schon ziemlich genau, was ich wollte.

 
Es soll ein Experiment sein, eine Selbsterfahrung! Mehr ambitioniert und organisiert als "Jeden Tag eine gute Tat", aber mit demselben Spirit! Ohne dieses sich abgrenzen, sich erheben und separieren von den Anderen, die weiterhin zugucken, wie das Feuer alles ruiniert. Wie der Kolibri ganz selbstverständlich meinen Teil tun, schließlich ist es mein Wald! Als Künstlerin war für mich von Anfang an klar, dass Theater als Darstellungsform ein elementarer Bestandteil des Projekts sein musste. Die Geschichte des Kolibris, die Geschichten unserer Kolibris, gehören auf die Bühne! Denn Multiplikation entsteht dann, wenn man sichtbar macht, wenn man darüber spricht. Wieder musste ich lachen, weil mir erneut ein Satz aus meiner Kindheit wieder hochkam, dieses Mal biblischen Ursprungs: "Tue Gutes und schweige darüber“, heißt es in der Bergpredigt (Mt 6: 1-4). Ich aber meine: „Tue Gutes und sprich darüber!“ Und welch schöneren Ort, um darüber zu sprechen, als die Bühne des Pantheon Theaters!?

 
Dann wurde mir klar, dass viele Menschen zwar gerne etwas tun wollen, oftmals aber mit dem was und wie überfordert sind. Das herauszufinden, bedarf einiger Kenntnis über sich selbst! Der Kolibri ist kein Feuerwehrmann, er hat weder das Know-how noch das passende Equipment. Aber er kann besser fliegen!
Was passt zu mir, was mag ich (anders) tun, was genau ist mein Teil? Das ist doch die zentrale Frage! Also sollte das Projekt bei dieser Entscheidung Hilfe und Orientierung bieten. Als nächstes stellte ich mir die Frage: "Jeden Tag eine gute Tat – aber für wie lange?“ Wenn es uns ernst mit diesem Anliegen ist, sollte es mehr Marathon als Kurzstrecke sein. Sechs Monate schien mir der richtige Zeitraum! Lange genug, um eine Bewusstseinsveränderung zu erzielen und noch im Rahmen des Zumutbaren für die Projektteilnehmer*innen.

 

Bezüglich der Gruppengröße schienen mir 10-16 Menschen realistisch. Diese 10 bis 16 Kolibris würden ein halbes Jahr lang einen Tropfen Wasser auf das Feuer speien. Jede und jeder würde einen Teil tuen, der individuell machbar ist, aber auch Freude bereitet! Durch die Selbsterfahrung im Projekt und das Theaterstück, würden die Teilnehmenden zu Multiplikatoren und Spezialisten heranwachsen!

Das Konzept war fertig!

 

Mit Unterstützung des Netzwerk politik|atelier e.V. haben wir dann einen Förderantrag bei der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW eingereicht, wobei das eine Geschichte für sich ist. Entscheidend für diese Geschichte ist, dass wir im Juli 2019 die Zusage erhalten haben: Ja, wir dürfen loslegen, wir werden tatsächlich gefördert!

 

Ein Jahr zuvor hatte ich die Geschichte des Kolibris gehört, und nun erfüllt sich dieser wagemutige Traum. Die ersten Schritte habe ich alleine getan, aber unterwegs habe ich so viele Verbündete gefunden, so viele Mitstreiter gewonnen, die alle den kleinen Kolibri gesehen haben und an sein Potential glauben!
Von der Idee bis hin zur nun beginnenden Umsetzung des Projekts, auf meinem Weg war ich stets von Liebe begleitet.

Der Liebe meiner Freundin, danke Dir!

Der meines Mitstreiters Julian, auch Dir stellvertretend für den Verein danke für dein Vertrauen!

Und last, but not least, der Selbstliebe, oder besser gesagt: der Selbstfürsorge!

 

Ich freue mich riesig, auf alles, was kommen wird!

Euer Kolibri Geneviève

 

P.S. Selbstfürsorge wird übrigens auch in dem Projekt selbst eine wichtige Rolle spielen! Mehr dazu später.

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Kommentare: 2
  • #1

    Dagmar (Donnerstag, 29 August 2019 23:36)

    Da meiner Meinung nach nichts Umsonst geschieht ,glaube ich, liebe Geneviève, brauchtest du durch die Wahrnehmung des kleinen"Taubenschwänzchen"Kolibri, nur die Geschichte, um endlich das schon längst in dir gereifte Projekt freizulassen !
    Ich freue mich sehr dich endlich in deiner vollen Blüte aufgehen zu sehen und wenigsten mit dieser wunderbaren Geschichte meinen kleinen Kolibri-Teil aus der Ferne beigetragen zu haben !
    Mögen sich viele Kolibris einfinden, die ihren Teil beitragen, mit ihrer Selbsterfahrung auf der Bühne die Bewusstseinsänderung darbieten und viele Kolibris wecken !
    Ein wunderbares Projekt !!
    Liebe Kolibrigrüsse von der Insel

  • #2

    Nadine (Freitag, 30 August 2019)

    Sehr schön geschrieben! Ich freue mich schon auf die Ergebnisse dieses tollen und spannenden Projektes!